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Soziale Unternehmensverantwortung ist Trump(f)

In der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik hat die soziale Verantwortung von Unternehmen (CSR) schon Tradition. Hinter ihrer Tradition bleibt die Akzeptanz dieser Sozialpolitik bei dem Gesetzgeber und innerhalb der Wirtschaft aber noch weit zurück. Dabei manifestiert sich doch aktuell eine grundlegende Entwicklung, die es sogar vermochte einen ungeliebten Kandidaten zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu machen. Dieser Strukturwandel ist auch im Zusammenhang mit der CSR-Politik von erheblicher Bedeutung.

Seit der Rat der europäischen Union im März 2000 beschlossen hat, die „Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“, hat die Kommission die soziale Verantwortung der Unternehmen verstärkt in den Blick genommen. Der Weg Europas in diese sozial gerechtere Welt begann mit dem Grünbuch der Kommission „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ (KOM(2001) 366 endgültig). Über die Binnenmarktakte „Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen“ (KOM(2011) 206 endgültig) und eine „neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)“ (KOM(2011) 681 endgültig) führte der Weg schließlich zur Richtlinie 2014/95/EU, die die verpflichtende „Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen“ zum Inhalt hat.

Spätestens mit dieser CSR-Richtlinie wurde deutlich, dass die soziale Verantwortung von Unternehmen einen wachsenden Stellenwert in der europäischen Sozialpolitik gewonnen hat. Aus einer „freiwilligen Verpflichtung der Unternehmen, auf eine bessere Gesellschaft und eine sauberere Umwelt hinzuwirken“ wurde bereits der Gegenstand von „Selbst- und Koregulierungssystemen“. Es ist nicht einmal auszuschließen, dass sich nach der Revision der CSR-Richtlinie durch die Kommission bis zum 06.12.2018 eine weitere Verschärfung im Handeln der Kommission ergibt. Die von der aktuellen Richtlinie unmittelbar betroffenen Unternehmen und Gruppen sind dabei nicht nur unmittelbar Normunterworfene. Ihre verpflichtend vorzunehmenden Veröffentlichungen zu nichtfinanziellen Informationen bilden zugleich einen öffentlich zugänglichen Maßstab für soziales Unternehmerhandeln.

Hat die Richtlinie auch nur einen beschränkten Adressatenkreis, sind von der europäischen Sozialpolitik hingegen sämtliche Unternehmen des europäischen Wirtschaftsraums unmittelbar betroffen. Dafür werden schon die zur Durchsetzung der Politik offen von der Kommission angesprochenen Mechanismen sorgen. Sowohl über die öffentliche Auftragsvergabe und die europäische Förderpolitik, als auch über „die ungeheuren Finanzierungsmöglichkeiten, die die europäische Vermögensverwaltungsbranche bietet“ wird Druck auf die Wirtschaftsteilnehmer zukommen. Darüber hinaus gilt es aber grundlegend zu erkennen, dass sich die Kommission zur Durchsetzung ihrer Sozialpolitik im Rahmen der sogenannten offenen Methode der Koordinierung (OMK) nur eine ohnehin stattfindende grundlegende Strukturveränderung der Öffentlichkeit zunutze macht. Ohne diesen Strukturwandel fiele es der Kommission nämlich schwer, wie geplant „bis 2020 Marktanreize und politische Anreize einzuführen, die Investitionen von Unternehmen in Effizienz belohnen“.

Aus der zeitlichen Parallelität eines fortschreitenden „Strukturwandels der Öffentlichkeit 2.0“ und einer vor dem Hintergrund der europäischen Sozialpolitik wachsenden Bedeutung sozialer Verantwortung von Unternehmen entsteht aktuell ein erheblicher Handlungsdruck für alle beteiligten Wirtschaftsteilnehmer. Gerade vor diesem sehr aktuellen Hintergrund ist es unverständlich, wenn sich Gesetzgeber und Wirtschaft bei der nationalen Umsetzung der europäischen Sozialpolitik zurückhalten.

CSR ist Trumpf!

Maßstab für jeden Verantwortungsträger in der Wirtschaft müssen/sollen menschenrechtliche, soziale und ökologische Aspekte sein, insbesondere im Handeln der ressourcenabhängigen Wirtschaft. Als schlichter Programmsatz für das tägliche Handeln stößt diese Auffassung sicherlich auf Akzeptanz in der gesamten Öffentlichkeit. Für seine faktische Umsetzung im Wirtschaftskreislauf besteht angesichts ökonomischer Zwänge jedoch offenbar kein Raum.

Gerade Konzepte für die Arbeitnehmerbelange und den (betrieblichen) Umweltschutz tragen allerdings unmittelbare betriebswirtschaftliche Bedeutung und dürfen keinesfalls übersehen werden. Erste Studien (z.B. Catch theMillannian, vonYourfirm GmbH) zeigen, dass insbesondere gut ausgebildete junge Menschen ihren Arbeitgeber nicht zuletzt nach dem Grad der Übereinstimmung eigener Werte mit dem sozialen Unternehmenshandeln auswählen. Ökonomisch erfolgreiches Recruiting wird ohne die Beachtung und konkrete Darstellung der vom Unternehmen verfolgten sozialen Aspekte damit in zunehmendem Maße schwierig.

Auch Arbeitnehmervertretungen bereiten sich bereits auf CSR-Aspekte vor. Rechtlich handelt es sich bei der sogenannten „konzeptionellen Mitbestimmung“ (RdA 2016, 291 ff.) dabei um eine neue Qualität der Mitwirkung von Betriebsräten. Dem Bundestag liegt auch bereits ein Antrag (BT-Drucksache 18/10254) vor, der es Betriebsräten  u.a. erlauben soll, die Chancen der Digitalisierung zur Interessenvertretung einfacher zu nutzen. Sobald sich diese Gedanken weiter verbreitet haben werden, wird ein neues, den täglichen Ablauf und jeden Betrieb beeinflussendes Handlungsfeld für das Management entstehen.

„Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beruht auf der Forschung, auf ihrer Innovationsfähigkeit und der Kreativität und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer“. So wurde es bereits in der ersten Runde der Anhörung der europäischen Sozialpartner auf branchenübergreifender und sektoraler Ebene im sozialen Dialog zutreffend festgestellt. Der betriebswirtschaftliche Erfolg auch deutscher Unternehmen wird deshalb – jedenfalls nach Auffassung der Sozialpartner – in steigendem Maße von ihrer Innovationsfähigkeit und Innovationsbereitschaft abhängen. CSR soll dabei nach Auffassung der Kommission dazu beitragen, ein Klima des Vertrauens im Unternehmen zu schaffen, das dem Engagement der Arbeitnehmer förderlich ist und die Innovationsleistung verbessert (Mitteilung der Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen (KOM(2002) 347 endgültig). Dabei muss die Wirtschaft nicht nur möglichst gut ausgebildete Bewerber für den jeweils angebotenen Arbeitsplatz gewinnen. Es gilt auch, für die Arbeitnehmer anschließend ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das Fehler verzeiht, Sicherheit und Anerkennung gewährleistet und freies Denken ermöglicht. Die Beachtung sozialer Belange ist deshalb nicht nur bei der Einstellung von Bedeutung, sie muss Grundlage einer ehrlichen und ständigen Unternehmenskultur werden. Nur so kann Innovation und Entwicklung nachhaltig stattfinden.

CSR ist folglich bereits aktuell und über die moralische Dimension hinausgehend im konkreten Unternehmenshandeln von betriebswirtschaftlichem Wert. Es wäre falsch anzunehmen, die Kommission würde nachlassen, diesen Wert durch Maßnahmen, entweder im Rahmen der offenen Methode der Koordinierung oder durch weitere Akte der europäischen Rechtssetzung, weiter zu unterstreichen.

CSR ist Trump!

Es mag schwerfallen, der Wahl des amerikanischen Präsidenten Donald Trump auch positive Seiten abzugewinnen. Eines aber sollte durch diese Wahl und den Wahlkampf spätestens jetzt jedem klar geworden sein: Die Mechanismen und der Prozess der Meinungsbildung innerhalb der Zivilgesellschaft befindet sich in einem dramatischen Umbruch! Der „Strukturwandel der Öffentlichkeit 2.0“ ist keineswegs abgeschlossen. Mindestens drei, auch im Zusammenhang mit CSR relevante Faktoren haben sich bereits geändert bzw. unterliegen noch immer einem Änderungsprozess.

  1. Der offene Widerstand gegenüber bisher als unverbrüchlich geltenden Konventionen ist geeignet, schon für sich genommen die Meinungsbildung der Zivilgesellschaft zu beeinflussen. Begriffe wie Historie, Tradition, Establishment, (political) Correctness sind keine Werte von ewiger Haltbarkeit mehr. Vielmehr gewinnen Disruption, auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit und die unbegrenzte Freiheit des Denkens und der Meinungsäußerung an eigener Bedeutung für die Meinungsbildung innerhalb der Gesellschaft.
  2. Wortschöpfungen wie „alternative Fakten“ und „Fake News“ belegen nur, dass solides Grundlagenwissen und feststehende Sachverhalte gegenüber nachdrücklich vorgetragenen und schlichten, im Zweifel sogar wahrheitswidrigen Darstellungen an Bedeutung bei der Meinungsbildung verlieren. Unabhängig vom jeweiligen Wahrheitsgehalt können Äußerungen anerkannter Interessenvertreter, oder über anerkannte aber unkontrollierte soziale Medien verbreitete individuelle Auffassungen die Meinung der Zivilgesellschaft mindestens ebenso stark beeinflussen wie die zutreffende, auf feststellbaren und prüfbaren Tatsachen beruhende Erläuterung komplexer Zusammenhänge.
  3. Etablierte Medien verlieren in dieser Funktion gegenüber den freien Plattformen der Kommunikation in den sozialen Medien seit Jahren an Bedeutung. Positiv gewendet handelt es sich um die Demokratisierung der Meinungsbildung. „Herrschaftswissen“ soll der Vergangenheit angehören. Allerdings werden nicht nur als solche erkennbare Meinungen und Tatsachendarstellungen verbreitet. Heute werden eben auch „alternative Fakten“ und „Fake News“ getwittert oder über Facebook unkontrolliert und unkontrollierbar verbreitet. Der Einfluss auf die Meinungsbildung der Zivilgesellschaft ist spürbar.

Die Wahl von Donald Trump zeigt damit lediglich symbolisch aber umso deutlicher, was durch den „Strukturwandel der Öffentlichkeit 2.0“ schon möglich ist und was  zukünftig nachhaltigen Einfluss auf die Meinungsbildung der Zivilgesellschaft haben wird. Auch auf den Märkten werden der Bruch mit Konventionen, der Abschied von Werten, Disruption, inhaltliche Verkürzungen und Verzerrungen, unkontrollierbare Kommunikation, schlichte Effekthascherei und Selbstdarstellung wachsende Bedeutung erlangen.

Mit der erreichten und durch die europäische Sozialpolitik noch weiter wachsenden ökonomischen Bedeutung ökologischer und sozialer Aspekte, ist auch deren Gewicht im Prozess der Meinungsbildung auf den Märkten gewachsen. Von diesen Wettbewerbsfaktoren kann insbesondere durch soziale Medien auch jeder – und zwar „rücksichtslos“ und ohne effektive Kontrolle – Gebrauch machen.

Nur klar formulierte und der Öffentlichkeit rechtzeitig zugänglich gemachte Konzepte können heute vor einer nachhaltig negativen Wirkung der Verbreitung „alternativer Fakten“ schützen. Da der offensive Umgang mit Informationen Meinung nachhaltiger und schneller beeinflusst als eine defensive Kommunikation, ist es faktisch für alle Verantwortlichen höchste Zeit, sich der Entwicklung notwendiger CSR-Konzepte anzunehmen. Das gilt auch für Unternehmen, die von der auf die europäische CSR-Richtlinie zurückgehenden Publizitätspflicht nicht unmittelbar betroffen sind.

Gerade für Politikfelder, die auch von bereits etablierten, namhaften, anerkannten und durchaus wirkungsvoll agierenden Organisationen und Gremien besetzt werden, ist die Erarbeitung derartiger Konzepte zu den Belangen der CSR-Richtlinie eine betriebswirtschaftlich dringend gebotene Prophylaxe. Die Aspekte Arbeitnehmerbelange und (betrieblicher) Umweltschutz etwa, sind als Kern ihrer Tätigkeit für Gewerkschaften von besonderer Bedeutung. Den betriebsverfassungsrechtlichen Gremien sind diese Aspekte sogar gesetzlich zugewiesen. Äußerungen von Gewerkschaftsvertretern oder Betriebsratsmitgliedern zu Arbeitnehmerbelangen haben deshalb ein erhebliches Gewicht. Gerade für Unternehmen, deren regionalen Märkte mit dem Aktionsradius dieser Organisationen korrelieren, besteht deshalb Handlungsdruck. Das gilt unabhängig von einer nur rechtsdogmatisch notwendigen Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Publizität nichtfinanzieller Informationen in nationales Recht.



Kanzlei wird erneut empfohlen

Wir danken allen Mandanten für die gute und freundliche Zusammenarbeit im Jahr 2016. Das Verhältnis zwischen Kanzlei und Mandanten ist offenbar so vertrauensvoll, dass die Kanzlei Dirk Sommer erneut  für empfehlenswert gehalten wurde. Auch in der Ausgabe 2016/2017 findet sich die Kanzlei in der Studie „kanzleimonitor.de“ deshalb unter den Empfehlungen. Vielen Dank für Ihr Vertrauen! Auf eine weiterhin angnehme Zusammenarbeit.